Das besondere Kirchgeld

10.07.2013

Abzocke im Namen des Herrn

Wer glaubt, dass er nach dem Austritt aus der Kirche keine Kirchensteuer mehr zahlen muss, der irrt. Zumindest dann, wenn der Ehepartner weiterhin einer Kirche angehört, d.h. das Paar in einer so genannten „glaubensverschiedenen Ehe“ lebt und es, wie die meisten Ehepaare, bei der Einkommensteuer zusammen veranlagt wird. Handelt es ich bei dem Ehepartner der aus der Kirche ausgetreten ist um den „Besserverdienenden“ der beiden, würde der Kirche folglich der größte Teil der zuvor gezahlten Kirchensteuer entgehen. Um in einer solchen Konstellation dennoch an das Geld des Ausgetretenen heranzukommen, haben die Kirchen in den 1990er Jahren, offenbar aufgrund der anwachsenden Zahl von Kirchenaustritten, eine neue Art der Kirchensteuer geschaffen, das so genannte besondere Kirchgeld.

Der Trick bei der Erhebung des besonderen Kirchgelds besteht darin, dass bei Angestellten nicht mehr wie sonst üblich 9% des Lohnsteuerbetrags als Kirchensteuer erhoben wird, sondern ein Pauschalbetrag der sich am zu versteuernden Einkommen beider Ehepartner bemisst. Dieser Pauschalbetrag ist selbstverständlich deutlich höher, als der Betrag den der weniger verdienende Ehepartner sonst entrichten müsste. Somit kommen die Kirchen also doch über den Umweg des besonderen Kirchgelds an einen Teil der entgangenen Kirchensteuer des Ausgetretenen heran. Auch wenn diese im Steuerbescheid natürlich dem Kirchenangehörigen zugeschrieben wird, so werden in die Bemessungsgrundlage die Einkünfte des Ausgetretenen voll eingerechnet.

Ein rechtliches Vorgehen gegen diese Praxis scheint aussichtlos, da bereits verschiedene Verfassungsgerichte diese Erhebungsmethode gebilligt haben. Möchte ein Ehepartner in der Kirche verbleiben, scheint die einzige Möglichkeit die Entrichtung des Kirchgelds zu umgehen, eine getrennte Veranlagung bei der Einkommensteuer vorzunehmen. Diese wirkt sich jedoch in den meisten Fällen, insbesondere dann wenn große Verdienstunterschiede zwischen den Ehepartnern bestehen, zu einem finanziellen Nachteil aus.

Die beiden großen Kirchen in Deutschland bezeichnen das besondere Kirchgeld übrigens in verschiedenen Publikationen als gerecht und solidarisch, sowie einen Beitrag zur Steuergerechtigkeit in Deutschland. Diese Auffassung kann ich unter keinen Umständen teilen. Mir fehlt jegliches Verständnis dafür, dass Menschen die aus der Kirche ausgetreten oder noch nie einer Kirche angehört haben, in einer solch infamen Weise zu einer Kirchensteuerzahlung herangezogen werden können. Außerdem frage ich mich, wie die „Erfinder“ dieses Kirchgelds und ihrer Berechnungsmethode diese „Abzock-Strategie“ mit ihren doch so christlichen Wertvorstellungen in Einklang bringen können. Gerecht definiere ich anders!


[hs]